Das Nibelungenlied

Die Nibelungensage ist nicht nur im Nibelungenlied überliefert, sondern findet sich in einer Vielzahl von literarischen Werken der deutschen, und skandinavischen Literatur aus verschiedenen Jahrhunderten:

Hildebrandslied, Atlilied, Edda, Thidrekssaga, Siegfriedlied (Lied vom Hürnen Seyfried), Völsunga-Saga, Sigurdlied. Alle diese Sagen handeln überwiegend von den gleichen Geschehnissen und den gleichen Personen. Auch die Örtlichkeiten stimmen teilweise überein. Es scheint aber so, als ob die Erzählungen um Gunther, Brunhild, Siegfried, Hildebrand, Dietrich und andere, eine gemeinsame Quelle haben, nämlich das Nibelungenlied.


Wer sich heute mit einer Interpretation des Nibelungenliedes befasst, sollte parallel zum Lied immer auch andere literarische Quellen zu Hilfe ziehen.


Literatur mit Bezug auf das Nibelungenlied:


  • Waltharielied: 10. Jahrhundert
  • Thidreksaga:  2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
  • Edda: 13. Jahrhundert

 

Das Nibelungenlied ist ein nordisch-germanisches Epos, aufgeschrieben in der alten Volkssprache Mittelhochdeutsch, das aber wahrscheinlich tatsächliche historische Ereignisse aus der Völkerwanderungszeit (375 n. Chr. – 568 n. Chr.) verarbeitet. Aufgrund der Ähnlichkeiten bei manchen Namen ist ein historischer Kern denkbar. In dem mittelalterlichen deutschen Heldengedicht wird vermutlich der Untergang des Burgunderreiches, das 413 n. Chr. als Föderaten Roms unter König Gundahar (der König Gunther der Sage) um Worms gegründet und vom weströmischen Heerführer Flavius Aetius  im Jahre 436 n. Chr. mithilfe hunnischer Truppen vernichtet wurde, abgehandelt.  Flavius Aetius (* um 390 in Durostorum, heute Silistra in Bulgarien; † 21. oder 22. September 454 in Rom) lebte mehrere Jahre als Geisel am hunnischen Hof und knüpfte dort gute politische Kontakte, Beziehungen, die ihm später sehr nützlich waren. Zu seinen Leistungen gehört die Verteidigung der römischen Provinz Gallien während der Völkerwanderung. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf Gallien. Er war aber nicht nur verantwortlich für die Vernichtung das Burgunderreichs in der Region von Worms, sondern auch für die Ansiedlung der übrigen Burgunder im Rhone Tal, wo sie ab 443 wahrscheinlich als Puffer gegen die Alamannen und Westgoten dienen sollten.


König Gundahar ist durch die burgundische Reichsüberlieferung historisch belegt. Im Nibelungenlied werden die Begriffe Nibelungen und Burgunden für ein und dasselbe Volk verwendet. Nach dem entscheidenden Schritt von mündlicher Sagen- und Liedtradition zur Buchdichtung verlief die mündliche und schriftliche Überlieferung des Nibelungenstoffs zunächst im Wesentlichen getrennt voneinander. Die gesamte Überlieferung geht aber letztlich auf einen schriftlich fixierten Text zurück, den man als Original bezeichnen kann. Dieser Text wurde vor seiner Verschriftlichung wahrscheinlich jahrhundertelang unverändert weitergegeben. Wann die Verschriftlichung der mündlichen Überlieferung zum Nibelungenlied stattfand, ist nicht genau bekannt. Zunächst nur von durchfahrenden Sängern an den Höfen vorgetragen, wurde es aber wahrscheinlich im 10. Jahrhunderts in Schriftform verfasst.


Nach dem Ende der Ritterzeit für viele Jahrhunderte vergessen wurde es 1755 durch Johann Jakob von Bodmer  (* 1698 † 1783 )auf Schloss Hohenems wiederentdeckt. Es handelt von der burgundischen Königin Chriemhild, der Titel ist "Adventure von den Nibelungen". Ein Original des Nibelungenliedes existiert nicht mehr, bzw. wurde bis jetzt nicht gefunden. Es gibt 32 teils fragmentarische Handschriften des Nibelungenliedes, von denen keine das Original repräsentiert. Bekanntgeworden sind hauptsächlich drei Abschriften auf Pergament: Die Nibelungenhandschriften A, B und C. Die Handschriften B und C gehen auf eine gemeinsame Urfassung zurück, die ihrerseits vom Original zu unterscheiden ist. Die Urfassung wurde gegen Ende des 12. Jahrhunderts geschrieben. Diese heute unumstrittene Datierung lässt sich ziemlich genau festlegen, da das Nibelungenlied einige Beziehungen zu Wolfram von Eschenbachs Parzival aufweist. Im Parzival wird im 8. Buch, Gawan-Episode. Gespräch mit Herzog Liddamus und dem Landgrafen Kingrimursel in den Versen 420, 23 ff. auf Rumolds Rat (Nibelungenlied (B* 1465) bzw. (C* 1499) angespielt, und man kann davon ausgehen, dass Wolfram diese Passage in den Jahren 1204/1205 gedichtet hat.


Kriemhild lädt die Burgunden ins Hunnenland ein und die Könige sind bereit, die Einladung anzunehmen. Nur Hagen wendet sich entschieden dagegen. Auch der Küchenmeister Rumold rät, zu Hause zu bleiben. Rumold ist Hofbeamter im Nibelungenlied, Inhaber des Küchenmeister-Amtes (seit 1181 belegt). Rumold erblickt in der Einladung des hunnischen königlichen Ehepaars eine Gefährdung des Lebens seines Herrn und tritt darum, wortkarg und zurückhaltend wie er sonst ist, für Hagen ein und rät Gunther zweimal von der Abreise ab: zuerst in Gegenwart der anderen Gefolgsleute, dann aber ganz heimlich.


Hierauf spielt Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival an:

ich taete ê als Rûmolt,
der künec Gunthere riet,
dô er von Wormz gein Hiunen schiet.
er bat in lange sniten baen
und inme kezzel umbe draen.“


ir sprecht, ir taet als riet ein koch
den küenen Nibelungen,
ûz huoben dâ man an in rach
daz Sîvride dâ vor geschach.

Ich handle hier wie einst Rumold,
der König Gunther riet,
als er von Worms zu den Hunnen aufbrach.
Er bat ihn, große Brotschnitten zu erwärmen
und in der Pfanne zu wenden.

 

Ihr sagt, Ihr handelt, wie es einst ein Koch
den kühnen Nibelungen riet,
die sich freudig dorthin aufmachten,
wo man an ihnen das rächte, 
was man Siegfried zuvor angetan hatte.

Wer der Verfasser der schriftlichen Urfassung war, ist nicht bekannt. Als Verfasser kommt im 12. Jahrhundert aber vermutlich ein Mönch, bzw. Angehöriger eines religiösen Ordens in Betracht, da nur diese Volksschicht lesen und schreiben konnte. Lesen und Schreiben war der breiten Masse des Volkes und selbst Edelleuten weitestgehend unbekannt. Lediglich in den Klosterschulen konnte man Lesen und Schreiben lernen, aber nur dann, wenn man dem Orden beitrat. Im frühen Mittelalter vor der Erfindung des Buchdrucks erfolgte die Vervielfältigung von Schriftstücken durch manuelles Abschreiben. Es waren die Mönche, die in ihren Klöstern und Abteien hauptsächlich kirchliche oder wissenschaftliche Texte kopierten. Die Kostbarkeit, der alt klassischen Literatur gestattete nur wenigen Gelehrten eine Büchersammlung. Eine Privatbibliothek von 20 bis 30 Bänden galt noch im 15. Jahrhundert für ein sehr schätzenswertes Besitztum. Im 12. Jahrhundert waren die Klosterbibliotheken im Besitz der meisten Bücher, daher hatte wohl auch am ehesten ein Mönch Zugang zum schriftlichen Original des Nibelungenliedes. Die Mönchszunft besaß das engste Verhältnis zum Buch, zum geschriebenen Wort. Das Schreiben als Kunst übten deshalb auch vorzugsweise die Mönche. Diese beschränkten sich dabei aber auf das Kopieren vorhandener Texte, ohne diese zu ändern. Schon der eigene Bedarf an Kirchen- und Lehrbüchern und der Wunsch, die winzigen Klosterbibliotheken zu vergrößern, musste die Mönche veranlassen, sich auf das Vervielfältigen von Büchern zu verlegen und so wurde denn auch in den meisten Klöstern die Kunst des Abschreibens mit großem Eifer betrieben. Dafür gab es in den Klöstern sogenannte Schreibermönche in den Skriptorien (Schreibstuben), die einen Text nicht nur kopierten, sondern möglichst originalgetreu und ohne Abweichungen abschrieben. Solche Schreibermönche waren häufig Kopisten und Illustratoren in einem und wurden bereits in ihrer Jugend im Kloster im Schreiben und Malen entsprechend ausgebildet. Sie lernten Schriftstücke farbig zu illustrieren, sowie normiertes Schreiben mit kalligrafischer Linienführung. Erst im 13. Jahrhundert verbreitete sich die Kunst des Lesens und Schreibens in der mittelalterlichen Gesellschaft. Es entstand allmählich ein Gelehrtenwesen, auch außerhalb der Klöster. Daher könnten die Schreiber der Handschriften A, B und C im Gegensatz zum Autor der Urfassung auch einem anderen Stand angehört haben, z.B. Kleriker, im institutionellen Rahmen der Kirche, das heißt in der Kanzlei eines geistlichen Fürsten (Bischofs), beschäftigt gewesen sein. Für die zeitliche Einordnung der drei Handschriften gibt es mehrere wissenschaftliche Meinungen. Die zwei wichtigsten sind:


  1. Karl Konrad Friedrich Wilhelm Lachmann (* 1793 - † 1851), deutscher Altphilologe
  2. Karl Friedrich Adolf Konrad Bartsch (* 1832 - † 1888), deutscher Altphilologe


Bis in jüngster Vergangenheit galt die Handschrift C als die älteste vollständige Handschrift und Ihr Entstehungsjahr wurde zwischen 1220 und 1230 datiert. Die für die heutige Forschung richtungsweisende Aufwertung der Handschrift B geht auf Karl Bartsch zurück. Er sah in den Handschriften B und C zwei voneinander unabhängige Erzählungen überliefert, B als die ältere, dem Original näherstehende, C als die jüngere Fassung. Die Handschrift B wird in der Staatsbibliothek von St. Gallen aufbewahrt. Karl Lachmann hingegen hielt die Handschrift A für die älteste und ursprünglichste. Die Handschrift A befindet sich in der bayerischen Staatsbibliothek in München. Neuere Forschungsergebnisse zeigten, dass der Text der A- und B-Handschrift der ältere (die sogenannte Nôt-Fassung) ist; der Text der C-Handschrift ist etwa 20 Jahre jünger (die sogenannte Liet-Fassung). Der Bearbeiter der Handschrift C hat 30 Strophen weggelassen und 92 neue Strophen hinzugefügt.


Handschrift A > hat 2316 Strophen
Handschrift B
> hat 2376 Strophen
Handschrift C
> hat 2439 Strophen


Die neuere Nibelungenforschung hält mittlerweile die Handschrift B für die älteste der drei Handschriften. Die Handschrift A ist vermutlich auch nur eine Weiterbearbeitung der Handschrift B. Sie bietet über weite Strecken einen ähnlichen Text wie B, ist aber insgesamt kürzer (es fehlen 63 Strophen, davon 57 in den Adventiuren 1-11) und ist anscheinend auch weniger sorgfältig geschrieben. Genauere paläografische Vergleichsuntersuchungen zeigen, dass einige Passagen des A*-Stoffes Veränderungen des B*-Stoffes oder sogar Übernahmen aus dem C*-Stoff sind. Eine direkte Bearbeitung von A* und C* auf der Grundlage von B* hingegen wird von der Forschung heute ausgeschlossen.


Chronologie:


  • Original (mündlich):  5. oder 6. Jahrhundert
  • Verschriftlichung: 10. Jahrhundert
  • Urfassung:  Ende 12. Jahrhundert 

Die Handschrift B erscheint insgesamt ursprünglicher und unveränderter gegenüber der Urfassung, da moralische oder religiöse Wertungen völlig unterbleiben und auch keine zusätzlichen Strophen eingefügt wurden, wie in der Fassung C. Genaue Vergleiche der drei Handschriften A, B und C lassen Übereinstimmungen, aber im Detail auch gravierende Abweichungen erkennen. Die auffälligen Besonderheiten der Fassung C haben so ausgeprägt den Charakter von Neuerungen, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass es sich um eine Bearbeitung der Urfassung handelt. Von den drei Handschriften ist die Handschrift C, augenscheinlich die von der Urfassung am meisten abweichende Version; der Bearbeiter hat den Text der Urfassung nicht kopiert, sondern überarbeitet und formal und sprachlich modernisiert; er hat ihn inhaltlich ergänzt und verbessert und er hat die Geschehnisse unter moralischen und religiösen Gesichtspunkten interpretiert. Der Verfasser muss bald, nachdem die Urfassung entstanden war, diese vermehrte, verbesserte Version geschrieben haben. In der Ausprägung der Handschrift C erkennt man deutlich das Bildungs- und Künstlerprofils eines Klerikers, das heißt eines Mannes der lese- und schreibkundig war. Mit Kleriker ist nicht ein Geistlicher oder Inhaber eines kirchlichen Amtes gemeint. Die Kleriker waren die Akademiker des Mittelalters. Sie waren gebildet. Sie hatten in Domkirchen, Stiften, Klöstern, oder an Stadtschulen das Lesen und Schreiben, sowie Kenntnisse in den freien Künsten und der lateinischen Sprache erlernt. Manche zogen als fahrende Dichter durch das Land. Der uns unbekannte Verfasser der Handschrift C war gebildet, er konnte lesen und schreiben, er hatte außerdem Geschichtskenntnisse. Er kannte die Gebräuche der Zeit. Er muss ferner die Vorkommnisse um Schicksal und Untergang der Burgunder, sowie die Örtlichkeiten, wo sich dies abgespielt hat gekannt haben.


Da der Bearbeiter der Handschrift C die Urfassung offensichtlich redaktionell überarbeitet, ergänzt und für sein höfisches Publikum aufbereitet hat, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er überlieferte Ortsbeschreibungen ausgelassen oder verändert hat. Obwohl Worms Hauptstadt der Burgunder war, und sich Ihr unmittelbares Einflussgebiet bis hinunter nach Speyer erstreckte, fehlen in der Handschrift C nähere Ortsbeschreibungen aus dieser Gegend. Genannt werden außer Worms, lediglich die Orte Lorsch (hier das Kloster Lorsch) und Odenheim, alle aber auf der rechten Rheinseite, die beiden letzteren ausschließlich in der Handschrift C; sie stehen jeweils am Ende einer Aventiure und sind daher kaum Original, sondern vermutlich Nachträge des Bearbeiters. Offensichtlich bestand eine Verbindung des Verfassers C zum Kloster Lorsch. In den Strophen C* 1158 – C* 1165, die er am Ende des 19. Abenteuers hinzugefügt hat, erzählt er von der Klostergründung, Königin Ute stiftete nach dem Tod ihres Gatten, des Burgunder Königs Dankrat, das Kloster in Lorsch (Kloster Altenmünster an der Weschnitz). Des Weiteren wird berichtet über Güterstiftungen und auch von einem beabsichtigten Umzug Chriemhilds nach Lorsch. Siegfrieds Leichnam war bereits dorthin überführt worden. Auch Königin Ute lebte bei Lorsch in einem Siedelhof und wird später dort begraben. Der Bezug zu Lorsch ist so eindeutig, so in die Einzelheiten gehend, dass dies zeitweilig zu der Annahme führte, dass der Abt des Klosters Lorsch, Sigehardt (* 1167-1198), die Nibelungensage in der Fassung C niedergeschrieben habe, in der sowohl das Kloster, wie auch der Dom von Worms eine Rolle spielen. Diese These wurde jedoch von der Nibelungenforschung mittlerweile als unhaltbar zurückgewiesen.


Die Angaben in den verschiedenen Handschriften sind auf jeden Fall unterschiedlich. Hierzu muss sich der Leser eine eigene Meinung bilden.

Interessant sind aber die archäologischen Funde in der Gegend um Lorsch. Im Kloster Lorsch wurden 1998 Fundamente und Grundmauern entdeckt, die möglicherweise noch aus der Römerzeit stammen. Es gab drei Klosteranlagen in Lorsch. Altenmünster, das erste Kloster aus dem Jahr 764, dann das Hauptkloster, dessen Torhalle noch heute vorhanden ist. Und dann das Frauenkloster „Hagen ze Lorse“ südlich von Lorsch, gegründet um 1130. Von diesem Kloster ist nur noch ein Eckturm der ehemaligen Klostermauer übrig. Bei Ausgrabungen beim Kloster Hagen ze Lorse, wurden neben einer frühromanischen Kirche und einer römischen Villa auch der erwähnte Siedelhof gefunden. 1800 hat der Forstmeister Baron von Hausen bei einer Privatgrabung drei historische Sarkophage aus Sandstein auf dem Klostergelände bei Lorsch gefunden. Der erste Sandsteinsarkophag, der sogenannte Pilastersarg erhielt seinen Namen von seinen Ziersäulen, wie sie auch die Lorscher Torhalle heute noch schmücken. Wer im Sarg bestattet war, ist nicht mehr eindeutig zu klären. Der zweite Sandsteinsarkophag wird auf eine Entstehung im dritten oder vierten Jahrhundert datiert. Er stammt möglicherweise aus einem Gräberfeld in Worms und wurde im Kloster zweitverwendet. Der dritte Sandsteinsarkophag wurde wegen seiner Länge von 2,40 Metern und entsprechenden Hinweisen in den Nibelungenhandschriften C und B dem Sagenhelden Siegfried zugeordnet.

Gefunden wurde er 1753 im früheren Augustinerinnenkloster unweit des Klosters Lorsch. In der Handschrift B wird die Größe Siegfrieds betont. (Zitat aus B*464): "Siegfried war tapfer, sehr stark und hochgewachsen". Ob der in Lorsch gefundene Sarg wirklich der im Nibelungenlied erwähnte Sarg ist, kann nicht zweifelsfrei behauptet werden. Die Anwesenheit der Burgunden auf der rechten Rheinseite, ist nicht nur durch die archäologischen Funde belegt, auch die ausdrückliche Erwähnung rechtsrheinischer Orte im Nibelungenlied sprechen dafür. In der Urfassung näheren Handschrift B ist die Rede vom Waskenwald. Diese Örtlichkeit wurde wahrscheinlich aus der Urfassung auch so übernommen. Der Waskenwald war angeblich ein größeres Waldgebiet im Bereich der Weschnitzniederung. In der Handschrift C wird der Waskenwald mit keinem Wort erwähnt. Der Bearbeiter der Fassung C erwähnt nur den Odenwald, der allerdings auch rechtsrheinisch liegt.. Der Waskenwald war dem Bearbeiter der Handschrift C entweder nicht bekannt, oder zumindest nicht erwähnenswert, wohl aber den Bearbeitern der Handschrift B (Zitat aus B*908): "Nu wir der herverte ledic worden sin, so wil ich iagen riten bern unde swin hin zem Waskenwalde als ich vil dicke han getan".

Der Autor der Urfassung muss die Gegend nördlich und südlich des Neckars aus eigener Anschauung gekannt haben, wie die genauen Ortsbezeichnungen Lochheim und Waskenwald aus der Fassung B belegen. Die Ortsbezeichnung Odenheim fehlt in der Fassung B und wurde daher wahrscheinlich auch in der Urfassung nicht erwähnt. Dies war auch nicht notwendig, da mit der Bezeichnung Waskenwald bereits eine genaue Eingrenzung der Örtlichkeit erfolgt war. In dieser Gegend liegt auch eine Quelle, die der Beschreibung im Nibelungenlied entspricht. Die Quelle liegt bei Heppenheim. Hier befindet sich eine alte von Linden umstandene Ried Quelle in Stein gefasst. Auf einer Tafel sind neben dem Brunnen, noch der Rhein und die alte Weschnitz verzeichnet. Die Quelle kommt als Ort an dem Siegfried ermordet wurde auch deshalb infrage, weil die Entfernungsverhältnisse zu Worms realistisch sind. Heppenheim liegt direkt gegenüber von Worms nur ca. 25 Km entfernt auf der anderen Rheinseite. Laut Nibelungenlied wurden, bevor die Jagdgesellschaft aufbrach, zuerst mit Brot, Wein, Fleisch und Fisch beladene Pferde über den Rhein zum Ort, an dem das Jagdlager errichtet werden sollte, gebracht. Von Worms nach Heppenheim braucht ein beladenes Pferd ca. 4 Stunden, ein Reiter ca. 1,5 Stunden. Alle anderen Quellen die für sich in Anspruch nehmen die Siegfrieds Quelle zu sein, sind zu weit von Worms entfernt.


Gundahar († 436) war König der Burgunden im frühen 5. Jahrhundert. Über die Ereignisse um die Zerschlagung dieses ersten Burgunderreiches und den Tod Gundahars berichtet der oströmische Geschichtsschreiber Olympiodoros von Theben. Er zählt zu den wichtigsten spätantiken Historikern. Sein Geschichtswerk in altgriechischer Sprache war chronologisch aufgebaut und behandelte die Zeit von 407 bis 425 n. Chr., ein relativ kurzer Zeitraum, den der Autor selbst miterlebt hatte, sehr detailliert. Schwerpunkt der Darstellung des Olympiodoros war eindeutig das weströmische Imperium. Die Burgunden hatten, gemeinsam mit anderen Stämmen, 406 die Schwäche des Römischen Reiches genutzt, um bei Mogontiacum (Mainz) den Rhein zu überschreiten und waren in Gallien eingefallen. Konstantin III. der 407 in Britannien zum (Gegen-)Kaiser ausgerufen worden war, hatte auch Soldverträge mit den Burgundern geschlossen und sie in linksrheinische Städte einquartiert. 411 wurde Konstantin III. besiegt und hingerichtet, Im selben Jahr gelang es dem gallo-römischen Usurpator Jovinius sich mithilfe des Alanenfürsten Goar und des Burgunderkönigs Gundahar zum Kaiser auszurufen. So ist es den Fragmenten des Geschichtswerks des Olympiodoros zu entnehmen. Eine Bemerkung des spätantiken römischen Historikers Renatus Profuturus Frigeridus (nachzulesen in den Zehn Bücher Geschichten des Bischofs Gregor von Tours) legt den Schluss nahe, dass die Burgunden Jovinus auch nach Südgallien begleitet haben. Jovinus wurde 413 von loyalen Truppen des Kaisers Honorius besiegt. Danach siedelten sich Gundahars Burgunden als foederati am Rhein im Raum von Worms an. Als die Burgunden 435 versuchten, ihren Machtbereich nach Westen in die Provinz Belgica I auszudehnen, stieß dies auf den Widerstand der Römer. Unter dem Heermeister Flavius Aëtius wurde Gundahar 435 von weströmischen Truppen zurückgeschlagen und 436 von hunnischen Hilfstruppen des Aëtius angegriffen und zerstört. Gundahar fiel zusammen mit Tausenden seiner Gefolgsleute. Die Reste seines Kriegerverbandes wurde von Flavius Aëtius einige Jahre später an der oberen Rhone neu angesiedelt. So die Geschichtsschreibung. Diese Ereignisse gelten als der historische Kern des Nibelungenlieds.


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