Der Schatztransport

Wenn das Nibelungenlied die Wahrheit erzählt, dann besteht der Nibelungenschatz aus einer unvorstellbar großen Menge von Gold und Edelsteinen. So Strophe B∗1122: "Nun könnt ihr vom Hort Wunderbares vernehmen. Man brauchte 12 Rüstwagen (Lastwagen), die, was sie fassen konnten, vier Tage und Nächte vom Berg herunterbrachten. Und jeder von ihnen musste an einem Tag dreimal fahren“ Die Größe des Schatzes ist vermutlich übertrieben, aber selbst wenn nur die Hälfte wahr ist, war der Schatz immer noch groß genug, dass Hagen ihn nicht alleine beiseite geschafft haben kann. Er brauchte Helfer, um den Schatz wegzutransportieren und ausreichenden Begleitschutz. 


Für den Transport des Schatzes nach Speyer kommen zwei Varianten in Betracht:


  1. Der Landweg
  2. Der Wasserweg


Er sancte in da ze Loche allen in den Rin. Die Versenkung im Rhein spricht zunächst für einen Wegtransport auf dem Wasserweg. Die Römer kannten verschiedene Techniken, um die Flüsse zu befahren. Gebräuchlich waren segeln, rudern, staken und treideln. Die Schiffsbautechniken der Burgunder waren nicht sehr entwickelt. Die ursprünglichen Schiffe waren ohne Segel, bloß Ruderschiffe. Die Burgunder nutzen für Flussfahrten auf dem Rhein daher vermutlich von den Römern zurückgelassene oder zur Verfügung gestellte Schiffe vom Typ Navis lusoria. Das waren schnelle Flussgaleeren mit Hilfssegel. Die Segelfläche betrug ca. 20 qm. Die Schiffe hatten eine Länge von 21,5 m eine Breite von 2,8 m und einen Tiefgang von 0,4 m. Die Besatzung bestand aus 32 Ruderern und zwei Männern, die das Segel bedienten. Das Schiff konnte mit Segelunterstützung eine Höchstgeschwindigkeit sogar 12 Knoten erreichen, das sind mehr als 10 km in der Stunde, war aber als Transportschiff weniger geeignet. Für den Wegtransport auf dem Wasserweg hätte Hagen aufgrund der Größe des Schatzes aber ein entsprechend großes Transportschiff benötigt. Solche Transportschiffe waren in Worms zwar sicherlich zu erhalten.


Für Hagen gab es aber gute Gründe, zunächst den Landweg vorzuziehen. Der Schatztransport musste vor allen Dingen schnell vor sich gehen. Die Fahrt flussaufwärts von Worms nach Speyer hätte zu lange gedauert. Die Geschwindigkeit der Transportschiffe war gegen die Strömung deutlich geringer als flussabwärts und damit war auch die Fahrtdauer erheblich länger. Diese Schiffe konnten mit ca. 10 Kilometern pro Stunde zu Tal fahren. Segel wurden in der Regel nur zur Unterstützung gesetzt. Für die Bergfahrt mussten die Schiffe i.d.R. zusätzlich vom Ufer aus gezogen (getreidelt) werden. Um das Schiff vom Ufer fernzuhalten, mussten dabei Schiffsknechte mit langen Staken nachhelfen. Das Treideln erforderte den Einsatz zahlreicher Helfer (Treidelknechte). Als Faustregel galt hierbei, das für ca. 15 t Schiffslast mindestens sieben bis acht Treidelknechte benötigt wurden. Um das Schiff vom Ufer fernzuhalten, mussten außerdem auch Schiffsknechte mit langen Staken nachhelfen. Da der Schatztransport geheim bleiben sollte, war Hagen sicherlich daran gelegen, so wenige Helfer wie möglich einzusetzen. Am oberrheinischen Flussabschnitt zwischen Worms und Speyer fehlten auch entsprechende Treidelpfade. Solche Treidelpfade wurden insbesondere am Mittelrhein nachgewiesen. Die Römer legten zu diesem Zweck erhöhte Uferstraßen vor allem linksrheinisch an, die gleichzeitig als Deiche dienen. Rechtsrheinisch gab es nur einige Brückenköpfe, die römische Besiedlung dort diente vor allem militärischen Zwecken. Die linksrheinische Heerstraße von Worms nach Speyer war als Treidelpfad ungeeignet, da sie zu weit entfernt vom Fluss lag. Am Oberrhein zwischen Worms und Speyer wäre das Anlegen von Treidelpfaden auch sehr schwierig gewesen, da der Rhein in diesem Flussabschnitt in vielen Windungen, ständig sein Bett wechselnd floss. Dieser Zustand war ein großes Hindernis für die Schifffahrt. Der Fluss mäandrierte durch sumpfige und dicht bewaldete Auewälder und war in viele Arme geteilt war, von denen infolge der Ufereinbrüche, der Treidelweg bald dem einen, bald dem anderen hätte folgen müssen. Sehr tiefe und enge Stellen mit verstärktem Gefälle wechselten mit Untiefen und deshalb wurden hier auch keine Treidelwege angelegt, da sie gegen den Fluss dauernd nicht zu schützen waren. Das war bereits für die Römer ein großes Problem gewesen, geschweige denn für die Burgunder. Dann wäre noch Staken übrig geblieben. Dabei wird mit langen Stangen, die in den Flussboden gestoßen werden, das Schiff mit Muskelkraft nach vorn gedrückt. Diese Fortbewegungsart war aber anstrengend - und flussaufwärts gegen die Strömung sehr langsam. Diese Variante hätte schon aufgrund der Entfernung von Worms bis Speyer mehrere Tage gedauert und war für einen schnellen Wegtransport des Schatzes nicht geeignet.


Der Landweg war entschieden schneller. Ein gutes Fuhrwerk benötigte für die Strecke Worms-Speyer (ca. 37 km) auf der damals noch gut erhaltenen linksrheinischen Heerstraße maximal 10 Stunden. Hagen konnte den Schatz daher binnen Tagesfrist nach Speyer schaffen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass der Schatz zunächst auf dem Landweg weggeschafft wurde. Zum einen konnte Hagen für den Wegtransport des Schatzes aus Worms eigene Gefolgsleute verwenden. Hagen, als königlicher Lehnsmann hatte während den Zeiten seiner Anwesenheit am Königshof sicherlich immer eigene Gefolgsleute dabei, die er einsetzen konnte. Hagens Ritter waren zwar größtenteils in Speyer stationiert, hätten aber bei Bedarf auch rechtzeitig vor dem Abtransport des Schatzes herbeigerufen werden können. Fußtruppen konnten Worms binnen 8 Stunden erreichen. Mit Pferden war die Strecke sogar in 4-5 Stunden zu bewältigen. Zum anderen war der Landweg generell auch sicherer. Da die Täler meist noch versumpft waren, kam für einen Wegtransport über Land nur ein Höhenweg in Betracht. Höhenwege liefen gerade und eben auf der Wasserscheide oder dem Hochgestade über weite Strecken hin; sie brauchten keine Brücken, berührten kein bewohntes Gebiet, boten freie Übersicht, drohten nicht mit Hinterhalt. Der Boden war fest; die Auf- und Abstiege wurden von den Pferden und den viel verwendeten einachsigen Lastkarren (Plaustrum) ohne Mühe bewältigt. Somit kommt für den Wegtransport des Nibelungenschatzes nur der alte römische linksrheinische Heeresweg, die Römerstraße Worms - Speyer infrage. Linksrheinisch waren die Römer im 5. Jahrhundert auch noch stärker präsent, die militärische Lage sicherer, die Straßen besser erhalten. Über die Römerstraße Ladenburg - Heidelberg auf der rechten Rheinseite ging der Transport sicherlich nicht, da hier bewohnte Ortschaften lagen und außerdem zur Zeit des Schatztransportes die römische Neckarbrücke wahrscheinlich zerstört war. Die Kette der ehemaligen römischen Burgi und Kastelle im nordbadischen Raum liegt an der Strecke Worms - Speyer teilweise linksrheinisch, teils rechtsrheinisch: linksrheinisch Worms, rechtsrheinisch, Mannheim-Scharhof und Mannheim-Neckarau und wieder linksrheinisch Altrip und Speyer. Ein linksrheinischer Schatztransport hätte daher keine Ansiedlungen berührt. Einzig Altrip lag an der Strecke, war jedoch nicht unmittelbar an der Römerstraße gelegen, die auf dem Hochgestade entlangführte, sondern in der Rheinniederung. Der linksrheinische Heeresweg lag mehrere Kilometer weiter östlich. Über den Heeresweg, war Speyer von der Reichshauptstadt Worms aus binnen kurzer Zeit erreichbar. Da der Schatztransport ja schnell und unauffällig vor sich gehen musste, bot der linksrheinische Heeresweg nach Speyer dafür ideale Bedingungen. Um keinen Verdacht zu erregen, war der Schatztransport vielleicht sogar als Truppentransport getarnt. Truppentransporte kamen in der damaligen Zeit häufig vor.


Aus dem Gesamtkontext der historischen Daten, archäologischen Funde und literarischen Quellen, kann man schließen, dass vermutlich Speyer der Lehnssitz von Hagen war. Dann aber ist es nur konsequent auch anzunehmen, dass Hagen den Schatz zunächst nach Speyer in seinen Kontrollbereich verbracht hat, denn dort war der Großteil seiner Gefolgsleute stationiert. Man kann des Weiteren vermuten, dass die von den Römern errichtete Burg in Speyer Wohnsitz der Gefolgsleute von Hagen war, da der föderative Verteidigungsauftrag der Burgunder auch die Bemannung der Festungsanlagen im Grenzgebiet vorsah. Ein solches Burglehen bestand im Wesentlichen aus der Burghut, der Bewachung und Verteidigung der Burg. Damit verbunden war regelmäßig auch eine Residenzpflicht. Die Burgbesatzung wählte die anvertraute Burg als Wohnsitz und hielt sich zumindest zeitweise darin auf. Die römische Kriegsstrategie in der Zeit der Völkerwanderung bestand darin, dass das Heer nicht an einem Punkt des Reiches versammelt war, sondern ständig mehr oder weniger über das ganze Reich verteilt war. Kasernen mit einem stehenden Heer befanden sich überwiegend in den Grenzbereichen des Reiches. Gegen die ständigen Angriffe der Germanenvölker versuchte Rom sich zu schützen, indem es germanische Stämme (z.B. die Burgunder) zu Foederaten (Verbündeten) machte. Diese wurden vertraglich zur Unterstützung Roms verpflichtet und hatten die Aufgabe die Grenzen gegen andere germanische Angreifer schützen. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurden mehr als 50 solcher Verträge geschlossen. Das Föderatentum war für die Römer äußerst vorteilhaft. So konnten sie das Reich bestmöglich gegen Angriffe schützen und die verschiedenen germanischen Gruppen auch gegeneinander ausspielen. Der burgundische Königshof bestand aus den ständig am Hof anwesenden Personen, das waren nach dem Nibelungenlied König Gunther und seine Familie (seine Brüder Gernot, Giselher, seine Mutter Ute und seine Schwester Chriemhild) und die Personen, die mit Hofämtern betraut waren. Die Hofämter waren zumeist von der freien adligen Oberschicht wahrgenommene Aufgaben. Die wichtigsten waren Kämmerer, Marschall, Truchsess und Mundschenk. Am Hof der Burgunden waren das Dankwart: der Bruder Hagens, und Marschall König Gunthers, Gere und Eckewart: Markgrafen im Gefolge Gunthers, Hunold: Kämmerer und Kellermeister, Ortewein von Metz: Truchseß, Rumold: der Küchenmeister Gunthers und Sindold: Mundschenk am Hofe Gunthers. Und dann gab es die unregelmäßig am Hof verweilenden Personen, Berater und Lehnsmänner, die sich in beständigem Kommen und Gehen befanden und sich zumindest zeitweilig auch auf ihrem Lehen aufhielten, das waren nach dem Nibelungenlied die Kronvasallen Hagen und Volker von Alzey. Hagen war Lehnsmann und erster Berater des Königs.


Um den weiteren Handlungsverlauf im Nibelungenepos richtig beurteilen zu können und die richtigen Schlüsse aus den Hinweisen zu ziehen, müssen die Personenprofile der handelnden Personen, insbesondere, das der Hauptperson Hagen genauer analysiert werden. Hagen verkörpert zweifelsfrei eine der wichtigsten Persönlichkeiten am Hof der Burgunder. Er soll nach dem Nibelungenlied sogar mit der Herrscherfamilie verwandt sein. Es gibt für ihn aber leider kein historisch belegtes Vorbild. Rückschlüsse aus Hagens Verhaltensmuster zu ziehen, ist aber schwierig. Die literarischen Vorlagen, lassen eigentlich keine psychologische Interpretation der Personen zu, da alle im Grunde mit identischen Attributen Ehre, Treue, Gewaltbereitschaft beschrieben werden. In der Fassung B wird Hagen auch wiederholt als treulos und Verräter, andererseits wiederum als treuer Vasall beurteilt. Diese Werturteile der Verfasser bezogen sich aber wahrscheinlich nur auf bestimmte Handlungen Hagens, waren also situationsbezogen. Einmal ist er der hinterlistige Verräter, weil er der arglosen Kriemhild durch eine List das Geheimnis um Siegfrieds Unverwundbarkeit entlockt, und später der kaltblütige, heimtückische Mörder, der Siegfried hinterrücks den Speer in den Rücken stößt. Dann wieder ist er der treue Vasall König Gunthers, der die Ehre seines Königs, so Strophen (B∗864) und (865), rächt. Bei allen Kämpfen der Burgunden ist er als oberster Heerführer dabei. Am Ende der Nibelungensage begleitet er die Burgunder in das Land der Hunnen bis in den Tod. Die Strophen (B∗ 903, 906, 967, 969, 972, 981) und (1001) legen jedenfalls den Schluss nahe hin, dass Hagen ein verräterischer, skrupelloser, aber auch zweckgerichteter Mensch war, der nichts dem Zufall überließ und alles unter Kontrolle behalten wollte. Seine Handlungen waren genau geplant. Ein deutlicher Beleg dafür ist der Mord an Siegfried. Hagen verabredet er mit König Gunther den Mord bei einem Jagdausflug im Waskenwald, so Strophe (B∗916) und Strophe (B∗917). Hagen und Gunther sind damit die einzigen, die „den Ablauf der Tat kennen. Gunthers Mittäterschaft am Mord wird im Nibelungenlied auch deutlich hervorgehoben. So Strophe (B∗ 915): "Sogleich hatte Hagen dem König gesagt, wie er den angesehenen Ritter überwältigen wollte". Die Gegend, in der die Jagd stattfand, war ebenfalls Teil des Mordplans und muss Hagen bestens bekannt gewesen sein. (B∗967): "Da entgegnete Hagen von Tronje: Mein lieber Herr, ich hatte angenommen die Pirsch hätte heute im Spessart stattfinden sollen". Das war Teil des Täuschungsmanövers, denn der Spessart liegt viel zu weit ab von Worms, als dass Hagen bewusst ein solcher Irrtum unterlaufen konnte. Auch die Quelle, an der Siegfried dann ermordet wurde, muss Hagen bekannt gewesen sein, denn Hagen war derjenige der einen Wettlauf zur Quelle vorschlug. (B∗969): "Da sagte Hagen von Tronje: Edle, kühne Ritter, ich kenne hier in der Nähe eine kühle Quelle" und (B∗972):  "mir ist oft davon berichtet worden, dass aber auch nichts Chriemhilds Gemahl folgen könne, wenn er schnell läuft. Ach, wenn er uns das doch zeigen würde". Im weiteren Verlauf des Nibelungenepos werden dann auch machtpolitische, habgierige Charakterzüge Hagens deutlich. Gunther und Chriemhild versöhnen sich, so Strophe (B∗ 1115). Die Versöhnung wird aber von Hagen initiiert, so Strophe (B∗1107); ihm geht es vorrangig um den Nibelungenhort. Hagen handelt also nicht ausschließlich im Interesse des Königshauses, sondern verfolgt auch eigene Ziele. Er plante von Anfang an, sich den Schatz anzueignen. Die Könige hatten zwar vor ihrer Abreise darüber gesprochen, Chriemhild den Schatz evtl. wegzunehmen um Schaden vom Reich abzuwenden. König Gunther war aber zunächst noch aufseiten seiner Tochter. In Strophe (B∗1129) sagt er: „Leben und Besitz sind ihr Eigentum. Nun wollen wir uns nicht darum kümmern, wohin sie ihr Gold und Silber verteilt". Hagen hatte vorausplanend die Schlüssel zur Schatzkammer bereits an sich genommen, so Strophe B∗1132: "Hagen hatte sich aller Schlüssel bemächtigt".  Chriemhilds älterer Bruder Gernot sagt: "Ehe Bevor wir in Zukunft mit dem Gold belastet werden, sollten wir alles in den Rhein versenken lassen, damit es niemals wieder einem Menschen gehört", so Strophe (B∗1134). Eine endgültige Entscheidung war noch nicht gefallen. Chriemhild selbst sagt zu ihrem Bruder Giselher: "Mein lieber Bruder, du solltest an mich denken und der Beschützer meines Lebens und meines Besitzes sein".  Und Giselher antwortet: „So sei es, sobald wir wieder zurückkommen, wir wollen jetzt ausreiten", so Strophe (B∗1135). Aus den Strophen (B∗1129) bis (B∗1139), ergibt sich auch eine für Hagen und den Schatz nicht zu unterschätzende Gefahr. Der Schatz war in Speyer nur vorübergehend sicher. Es bestand ein hohes Risiko, dass nach Rückkehr der Könige, Chriemhild ihn sich mit deren Hilfe wieder aneignen könnte. Der Schatz konnte nicht in Speyer verbleiben, da er dort weiterhin dem Zugriff der Könige ausgesetzt war. Denn nach der Rückkehr der Könige, musste Hagen damit rechnen, dass Chriemhild sich den Schatz mithilfe ihrer Brüder wieder zurückholen würde. Das diese Vermutung nur allzu richtig sein kann, dafür gibt die Strophe (B∗1138) einen deutlichen Hinweis: "Die Fürsten kamen zurück und mit ihnen viele Männer. Da begann Chriemhild mit Mädchen und Frauen, über ihren großen Verlust zu klagen. Die Fürsten bedauerten dies sehr. Gerne hätte jetzt Giselher ganz auf ihrer Seite gestanden". In Abwesenheit der Könige hatte Hagen den Schatz bereits eigenmächtig, aber offensichtlich ohne deren Billigung an sich genommen. In Strophe (B∗1139) heißt es: "Sie sagten übereinstimmend: Hagen hat übel gehandelt". Nur König Gunther wusste Bescheid. Als Hagen den Schatz an sich nahm, befanden sich die Könige zweckmäßigerweise außer Landes. Der Ausflug diente so der Rechtfertigung Gunthers, der so vorgeben konnte, nichts gewusst zu haben. Da Hagen sich den Schatz aneignen und verbergen wollte, mit der Absicht in später zu nutzen, so Strophe (B∗1137), ist zu vermuten, dass Speyer von Anfang an auch nur als Zwischenstation geplant war. Nachdem Hagen in Speyer angelangt war, musste er den Schatz nur auf ein Transportschiff, wahrscheinlich ein Plattschiff (Prahm) verladen. Die Verladung auf Plattschiffe war einfach und ging schnell. Die Transportwagen selbst mussten nicht entladen werden, sondern konnten über die diesem Bootstyp eigene Bugpforte direkt auf die Boote fahren. Auch die Größe des Schatzes wäre ein Hindernis gewesen, denn mit ihrer Länge zwischen 7 und 35 Metern waren sie in der Lage große Mengen an Versorgungsgütern bis in die entferntesten Gegenden der besetzten Gebiete zu transportieren. Plattschiffe konnten bis zu 30 Tonnen Ladung transportieren. Für Hagen war es ein Leichtes, in Speyer Schiffsleute zu rekrutieren, um den Schatz mit einem Plattboot zum Versenkungsort zu transportieren. Die Besatzungsstärke der altrömischen Plattboote dürfte etwa bei zwei bis drei, vielleicht auch vier Mann gelegen haben. Diese Zahl reichte aus, um ein derartiges Schiff sicher flussabwärts zu bringen, wobei dazu sogar zwei Mann genügten, sofern auf Ruderunterstützung verzichtet wurde. Ebenso war eine solche Mannschaft ausreichend, um das Schiff gegen die Strömung zu treideln oder zu staken. Hagen hätte in Speyer zum Wegtransport des Schatzes erneut eigene Gefolgsleute einsetzen können. Diese waren ihm durch Treueid verpflichtet. Bei einem so großen Schatz waren aber die Versuchungen ebenfalls groß. Da Hagen ein sehr misstrauischer Mensch war, hat er vermutlich, um jede Gefahr durch Verrat auszuschließen, ab Speyer ausschließlich fremde Helfer eingesetzt. Denn um eine spätere Bergung des Schatzes durch Mitwisser sicher zu vermeiden, mussten zwangsläufig alle Helfer beseitigt werden. Hagen war zwar erwiesenermaßen ziemlich skrupellos, dennoch hätte er nicht ohne Not seine eigenen Ritter umgebracht. Im Nibelungenlied heißt es in Strophe (B∗2371): Da außer Hagen, seinen Rittern und den Königen nur die Helfer vom Versenkungsort des Schatzes wissen konnten, ist dieser Hinweis im Nibelungenlied ein deutliches Indiz dafür, dass alle Helfer unmittelbar nach dem Verbergen des Schatzes umgebracht wurden. Nachdem die Helfer umgebracht wurden und die Könige ebenfalls tot waren, kannte außer Hagen niemand mehr das Schatzversteck. Da Hagen den Schatz ja wiederbringlich versenken wollte, kam nur eine überlegte Versenkung, z.B. an einer seichten Stelle im Rhein in Betracht. Am ehesten kam ein seichter, langsam fließender Seitenarm des Rheins in Betracht. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Mittelrhein und seine Nebenarme in vergangenen Zeiten nur einige Meter tief und noch sehr sauber waren, sodass der Flussboden teilweise beobachtet werden konnte. Den Hort in einer Gegend, in der Menschen in der Nähe wohnten, einfach in den Fluss zu werfen wäre idiotisch gewesen. Der Schatz hätte entdeckt werden können. Deshalb ist zu vermuten, dass der Schatz in einer menschenleeren, entlegenen, aber leicht erreichbaren Gegend versenkt wurde. Eine solche als Schatzversteck geeignete, menschenleere, entlegene, aber leicht erreichbare Gegend lag gegenüber von Speyer auf der rechtsrheinischen Seite bei Lochheim in der Nähe des heutigen Sandhausens. Ansiedlungen von Menschen, die die Versenkung hätten beobachten können, waren in dieser Gegend zur Zeit der Burgunder nicht vorhanden. Die in der Nähe gelegenen heutigen Orte Oftersheim und Sandhausen am Leimbach wurden erst mehrere Jahrhunderte nach dem Burgunderreich am Rhein gegründet und waren also zur Zeit des Schatztransportes noch nicht vorhanden. Die Geschichte einiger Siedlungen lässt sich bis in keltische Zeiten vor Christi Geburt oder noch früher zurückverfolgen, so z.B. Wiesloch, Schwetzingen und Walldorf. Dann kamen die Römer. In Walldorf bezeugt ein in der Nähe ausgegrabener römischer Gutshof aus dem 1. Jahrhundert römische Präsenz. In einem in Hockenheim ausgegrabenen Ziegelofen wurden gestempelte Ziegel der 71 n. Chr. bis 92. n. Chr. in Mainz stationierten römischen legio XIV Gemina Martia Victrix gefunden, was auf eine römische Besiedlung in dieser Zeit hinweist. In Wiesloch wurde ein römischer Straßenvicus, ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert ausgegraben. Altlußheim war im 1. Jahrhundert ein bedeutender Brückenkopf der Römerstraße Speyer – Bad Wimpfen. Grabfunde im nahe gelegenen Hubwald zeigen römische Präsenz auch in dieser Gegend. Die ersten urkundlichen Erwähnungen der Siedlungen erfolgten aber viel später. Wiesloch wird erstmalig im 6. Jahrhundert als Wezzinloch im Lorscher Kodex erwähnt (der Kodex enthält ca. 8.600 Ortsangaben). Walldorf als Waltdorf im 8. Jh., Schwetzingen als Suezzingen (8.Jh.), Oftersheim ebenfalls erstmalig im 8.Jh. Sandhausen wird urkundlich erstmalig im 13. Jahrhundert als Santhusen erwähnt. Auf Sandhausener Gebiet befand sich auch das untergegangene Dorf Lochheim. In Strophe (B∗1140) heißt es: „Bevor Hagen von Tronje den Schatz versenkte, hatten sie mit Eiden fest besiegelt, dass der Ort verborgen bleiben sollte, solange einer von ihnen noch lebte". Dieser Hinweis ergibt nur einen Sinn, wenn die Könige darüber informiert waren, wo Hagen den Schatz versenken wollte. Sie müssen die Gegend um Lochheim, wo der Schatz versenkt werden sollte, gekannt haben.


Die übliche Form der Herrschaftsausübung von der fränkischen Zeit bis in das Spätmittelalter hinein war das Reisekönigtum. Die Könige des Mittelalters reisten mit Hofstaat durch ihr Reich, um unmittelbare Herrschaft auszuüben. Sie mussten auch Präsenz zeigen, um ihre Macht zu festigen und zu erhalten. Ein Reisekönigtum kannten auch die Römer. Bereits Kaiser Augustus (* 63 v. Chr.) nahm konstruktiv Anteil am Wohlergehen der Provinzen, indem er einen großen Teil seiner Zeit mit Reisen in seinem Reich zubrachte. So auch Kaiser Hadrian (*76 n. Chr.) der viel umherreiste, dabei große öffentliche Bauten errichten ließ und auch mal neue Städte gründete. Der Historiker Cassius Dio schrieb über ihn: "Hadrian besuchte methodisch die Provinzen und kümmerte sich um Burgen und Befestigungen. Die Provinzstädte förderte er durch die Anlegung von Wasserleitungen, Häfen, Kornspenden, Errichtung öffentlicher Gebäude, Gewährung von Geldspenden und Privilegien". Auch zu Zeiten des Burgunderreiches am Rhein war die Verfassung weitgehend auf die Person des Königs ausgerichtet. Ein straff organisierter und zentral geführter Behördenapparat fehlte. Der König der Burgunder übte seine Herrschaftsrechte vermutlich wiederholt auf Hofreisen von Ort zu Ort aus, wie dies bereits die Römer taten. Dabei kehrte er entweder in einer der zahlreichen Reichsabteien, bei einem Bischof (Speyer war Bischofssitz) oder bei einem ihm durch Treueeid verpflichteten Vasallen in dessen Burg ein. Speyer war nach dem Limesfall wieder wichtige Grenzstadt geworden und konnte für den Besuch des Königs auch den geeigneten Rahmen bieten. In der Umgebung von Speyer lagen zahlreiche Gutshöfe, deren Erträge und Einkünfte zum Unterhalt des Königs verwendet werden konnten, wenn er sich mit seinem Gefolge in Speyer aufhielt. Bei diesen Besuchen wurden manchmal auch große Jagden veranstaltet. Solche Jagden waren auch zur Zeit der Burgunder ein üblicher Zeitvertreib. In der Strophe B*911 heißt es: "Da wir jetzt keinen Krieg mehr führen müssen, so will ich Bären und Wildschweine im Waskenwalde jagen, wie ich es schon oft getan habe".  Die Könige jagten während ihres Aufenthaltes in Speyer vermutlich in der Schwetzinger Hardt auf der rechten Rheinseite. Der Hardtwaldt war wegen seiner kargen Sandböden für eine Besiedelung wenig geeignet und daher von den Römern weitgehend unberührt geblieben. Um den Hardtwald herum lagen lediglich mehrere „villae rusticae“, die aber zur Versorgung der Jagdgesellschaft dienen konnten. Die Heerstraße zwischen den Kastellen bei Heidelberg-Neuenheim und Speyer durchquerte den Hardtwald, der zur Zeit der Römer noch ein dichter Buchenwald war. Der „Speyerer Weg“ in der Schwetzinger Hardt folgt heute noch auf großen Strecken dieser alten Römerstraße. Die Schwetzinger Hardt erstreckt sich mit Höhen von durchschnittlich wenig mehr als 100 m über NN zwischen Rhein und Kraichgau in der mittleren rechten Oberrheinischen Tiefebene und war schon in frühen Zeiten für ihren Wald- und Wildreichtum bekannt. Gejagt wurden Edelhirsche, Sauen. Öfter kamen in kalten Wintern Wolfsjagden hinzu. Noch im Jahr 1492 erlegte Kurfürst Philipp der Großmütige einen der letzten Bären der Rheinpfalz im Wald bei Schwetzingen. Auch im Nibelungenlied erlegt Siegfried einen Bären. Die Könige können die Gegend, in der der Schatz verborgen wurde, also von der Jagd gekannt haben. Durch die im Süden der Gemeinde Sandhausen vorhandene Dünenlandschaft, die Sandhauser Dünen, hat diese Gegend auch einen hohen Wiedererkennungswert. Im Hafen von Speyer ließ Hagen den Schatz auf ein Plattschiff verladen und den Rhein flussabwärts bis zur Mündung des Ostrheins beim heutigen Brühl treiben. Plattschiffe konnten gerudert oder gestakt werden und mit Segelunterstützung pro Stunde bis zu 10 km zurücklegen. Die Mündung des alten Ostrheins war von Speyer aus unter Ausnützung der Strömung flussabwärts leicht zu erreichen. Danach musste das Boot nur noch den alten Ostrhein hinauf bis zum Versenkungsort gerudert oder gestakt werden, was in diesem Flussabschnitt eine leichte Übung war, da der Ostrhein zur Römerzeit ein seichtes, langsam fließendes Gewässer war. Von Speyer bis zum Versenkungsort bei Lochheim waren es ungefähr 35 km. Der gesamte Schatztransport war daher in maximal vier bis fünf Stunden zu bewerkstelligen. Am Versenkungsort angekommen, wurden Löcher in das Boot geschlagen und der Schatz mitsamt dem Transportmittel versenkt. So brauchte man sich nicht um das Entladen zu kümmern, der umfangreiche Schatz musste nicht erst irgendwo hingeschleppt werden. Außerdem waren die Schiffsleute so gezwungen, zu Fuß zurückzukehren. Die Römerstraße Richtung Speyer verlief nur ca. 900 m westlich vom Versenkungsort und war in wenigen Minuten zu erreichen. Die Rückkehr zu Fuß war vermutlich von Anfang an von Hagen auch so geplant. Denn um jeglichen Verrat bzw. eine spätere Bergung des Schatzes durch Mitwisser zu vermeiden, mussten die Schiffsleute, die den Schatz transportiert hatten, nach der Versenkung beseitigt werden. Entsprechende Bodenfunde in der Gegend von Sandhausen wurden bisher zwar nicht gemacht. Für diese Theorie sprechen jedoch andere Bodenfunde aus der Nähe: Wenig nördlich der Römerstraße Wiesloch-Wimpfen, ca. 7 km vom Versenkungsort entfernt, fanden sich in einem verfüllten Hohlweg in einer Tiefe von 3,60 m 4 Skelette von sehr robusten, 20 bis 35 Jahre alten Männern. Vor der Bestattung müssen die Körper längere Zeit an der Erdoberfläche gelegen haben und stark verwest gewesen sein, da einzelne Körperpartien wie z.B. Arme oder Beine sich vor der Überschüttung schon vom Rumpf gelöst hatten; Verletzungen ließen sich an den Knochen nicht nachweisen. Offensichtlich hatte kein Kampf stattgefunden; dies spricht für einen Überfall. Beifunde wurden auch keine gemacht, daher handelte es sich nicht um eine reguläre Bestattung. Eine C14-Altersbestimmung ergab einen ungefähren Datierungsbereich von 30 bis 230 n. Chr. Da aber nur eine einzige Altersbestimmung gemacht wurde und die Knochen z.T. stark mit Kalkkrusten überzogen waren, darf die Messgenauigkeit nicht überschätzt werden. Eine Datierung ins 4. oder erste Drittel des 5. Jahrhunderts ist ebenfalls noch möglich. Gegen eine Datierung ins späte 1. bis zur Mitte des 3. Jh. spricht auch die Tatsache, dass die Toten erst Monate nach ihrem Tod begraben wurden. So nahe an der zu dieser Zeit noch stark frequentierten Straße Wiesloch-Wimpfen hätte man die Leichen bestimmt sofort bestattet. Aufgrund der gesamten Indizien, kann darüber spekuliert werden, ob es sich bei den vier männlichen Skeletten möglicherweise um die von Hagen in Speyer rekrutierten Schiffsleute gehandelt hat, die dieser nach getaner Arbeit beseitigen ließ. Auch die Anzahl spricht für diese Theorie, da zum Steuern des für den Wegtransport des Schatzes verwendeten Plattbootes nicht mehr als 4 Helfer benötigt wurden. Die Entfernung des Fundortes der Skelette zum Versenkungsort des Schatzes, erklärt sich vermutlich damit, dass die Helfer zunächst nichts ahnend über die Römerstraße Richtung Wiesloch zurückliefen, dann aber auftragsgemäß von den im Burgus stationierten Rittern abgepasst und getötet wurden.


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